6.12.

Acht Jahre hat Ulrike Comes als Lehrerin an der Deutschen Schule in New Delhi gelebt. In dieser Zeit begann sie, im Advent für ihre Freunde in Deutschland täglich eine „Tür“ zu ihrem Leben im fernen Indien aufzumachen. Inzwischen zurück in Deutschland, erstellt sie die jährliche Neuausgabe des virtuellen „Adventskalenders“ für alle Freunde nah und fern.

Fusion

Im Zeitalter der Globalisierung ist Fusion der Begriff der Stunde. Essen, Musikstile, Kleidung – vieles fusioniert, verschmilzt, vereinigt sich, bildet Kombinationen oder wie auch immer man diesen Begriff umschreiben will.

Ich fusioniere oft und gerne. Ich suche mir aus allem das raus, was ich mag, und kombiniere es nach meinem persönlichen Geschmack.

Indische Küche? Klar, aber bitte nicht die vegetarische Version, und Koriander geht für mich gar nicht. Ich probiere so lange, bis das indische Butter Chicken meinem deutsch-europäischen Gaumen wohl tut. Wenn ein Inder das dann als solches nicht mehr identifizieren kann, ist es eben Fusion.

Treffen sich religiöse Rituale und Symbole, wird es etwas schwieriger. Der indische Elefantengott Ganesh, der für das Glück verantwortlich ist, sieht cool aus, trotzdem muss ich ihn nicht in der Diele hängen haben – schon aus Rücksicht auf die religiösen Gefühle meiner hinduistischen Gäste.

In den Jahren in Indien habe ich mehr denn je gemerkt, dass Religion nichts mit Fusion zu tun hat. Will ich mein religiöses Leben mit dem anderen teilen, dann muss ich meinen Standpunkt verdeutlichen (den ich dazu haben und kennen muss) und mein Herz so weit öffnen, dass auch der andere, gleich welchen Glauben er hat, darin Raum findet.

Der gute alte Nikolaus aber – der Bischof mit den guten Gaben, nicht der Softdrink-Opa – der kam auch in Indien zu den deutschen Kindern. Für die ist das wichtig, denn man benötigt in der Ferne mehr „typisch Deutsches“ als daheim. Aber ganz ohne Fusion geht es nicht. Und das ist dann auch der Grund, warum im Garten der Deutschen Botschaft in New Delhi nach dem Nikolaustag die Gehwegplatten zerbrochen sind...