Wort des Lebens Mai 2017

Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.

Am Schluss seines Evangeliums erzählt Matthäus von den letzten Begebenheiten des irdischen Lebens Jesu. Er ist vom Tod auferstanden und verkündet die Leben spendende Liebe Gottes zu jedem Geschöpf. Er öffnet wieder neu den Weg zur Geschwisterlichkeit für die Menschen. Für Matthäus ist Jesus der „Gott mit uns“, der Immanuel, der von den Propheten versprochen und vom Volk Israel erwartet wurde.
Bevor er zum Vater zurückkehrt, sammelt er seine Jünger um sich, diejenigen, die mit ihm gelebt haben, und vertraut ihnen die Weiterführung seines Werkes in der Zeit an.
Eine gewaltige Aufgabe! Aber Jesus versichert ihnen, sie nicht alleine zu lassen, ganz im Gegenteil: Er verspricht, bei ihnen zu sein, alle Tage, sie zu unterstützen, zu begleiten, zu ermutigen.

Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.

Mit seiner Hilfe werden sie Zeugen der Begegnung mit ihm, seinem Wort und seiner konkreten Offenheit und Barmherzigkeit allen gegenüber sein. So können viele Menschen ihm begegnen und in der gegenseitigen Liebe das neue Volk Gottes bilden.
Man kann sagen, dass es Gott Freude bereitet, nahe bei mir, bei dir zu sein, jeden Tag, bis zum Ende unserer persönlichen Geschichte und der Menschheitsgeschichte.
Aber ist das wirklich so? Kann man ihm wirklich begegnen?
„Er ist ganz nahe, neben mir, neben dir, verborgen im Armen, im Verachteten, im Kleinen, im Kranken, im Ratsuchenden, in allen, denen die Freiheit genommen ist, in allen, die am Rande der Gesellschaft leben. Er hat es selbst gesagt: ‚... ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben ...’ (Matthäus 25,35). (…) Wir können lernen, ihn dort zu entdecken, wo er ist.“ 1)
Er ist in seinem Wort gegenwärtig. Wenn wir es in die Tat umsetzen, kann es unser Leben erneuern. Er begegnet uns in der Eucharistie bzw. in der Feier des Abendmahls. Er spricht zu uns durch die Verantwortlichen unserer Kirche (vgl. Lukas 10,16). Er ist unter uns, wenn wir in seinem Namen vereint sind. Das stärkt unser Gebet zum Vater, und wir finden Licht für die täglichen Entscheidungen (vgl. Mt 18,19-20).

Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.

Dieses Versprechen gibt viel Hoffnung und ermutigt uns, ihn auf unserem Weg zu suchen. Öffnen wir Herz und Hände füreinander, teilen wir miteinander das Leben, persönlich und als Gemeinschaft; in den Familien und Kirchen, am Arbeitsplatz und bei  Festen, in gesellschaftlichen und kirchlichen Gruppen. Wir werden Jesus begegnen und er wird uns mit der Freude und dem Licht verblüffen, die Zeichen seiner Gegenwart sind.
Wenn wir morgens schon beim Aufstehen denken: „Heute will ich entdecken, wo ich Gott begegnen kann!“, können auch wir eine so positive Erfahrung wie die folgende machen: „Die Mutter meines Mannes liebte ihren Sohn so sehr, dass sie eifersüchtig auf mich war. Das belastete mein Verhältnis zu ihr stark. Vor einem Jahr wurde bei ihr ein Tumor diagnostiziert. Nach der Behandlung musste sie gepflegt werden, doch die Schwägerin, die einzige Tochter meiner Schwiegermutter, vermochte dies nicht zu leisten. In dieser Zeit wurde ich zu einem Sommertreffen der Fokolar-Bewegung, einer Mariapoli, eingeladen. Was ich dort über Gott, der die Liebe ist (vgl. 1 Johannes 4,8.16) hörte, hat mich tief berührt. Der Gedanke, dass er auch mich unendlich liebt, ging mir sehr nach, und ich spürte, dass mein Leben anders werden musste. Ja, ich fand sogar die Kraft, meine Angst zu überwinden und die Schwiegermutter bei uns aufzunehmen. Weil ich mich von Gott geliebt wusste, konnte ich auch meine Schwiegermutter mit neuen Augen sehen. Ich wollte sie wie Christus selbst aufnehmen und pflegen. In der Folgezeit hatte ich den Eindruck, dass sich das Herz aus Stein in mir langsam in ein liebendes Herz aus Fleisch (vgl. Ezechiel 11,19) verwandelte. Überrascht stellte ich fest, wie meine Schwiegermutter auf mein Bemühen, so für sie da zu sein, ihrerseits mit Liebe antwortete. Es folgten intensive Monate voller Entbehrungen und Opfer, doch als meine Schwiegermutter schließlich zu Gott heimgehen durfte, spürten wir einen tiefen Frieden. Etwa zur selben Zeit stellte ich fest, dass ich ein Kind erwartete, was wir uns seit neun Jahren sehnlichst gewünscht hatten. Für uns ist dieses Kind ein greifbares Zeichen der Liebe Gottes.“ 2)

Letizia Magri
 

1) Chiara Lubich, Wort des Lebens, Juni 1982;
2) aus: Als wär's mit Händen greifbar, Hrsg. von Doriana Zamboni, München 2004, S. 38-39

 


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