Wort des Lebens August 2016
Die Praxis, nach dem „Wort des Lebens“ zu leben, gibt es nun seit über 70 Jahren. Der Kommentar dazu erreicht über verschiedene Kanäle unzählige Menschen, wird gelesen und meditiert. Das Wichtigste dabei ist jedoch das Schriftwort selbst, meistens ein Satz von Jesus. Denn beim „Wort des Lebens“ geht es nicht um einen schönen Text zur persönlichen Erbauung. Im Schriftwort spricht Jesus selbst zu uns und lädt uns dazu ein, nach seinem Wort zu leben Und das ist immer eine Einladung, zu lieben und aus unserem Leben ein Geschenk für andere zu machen.
Das „Wort des Lebens“ in dieser Art ist eine Initiative, die auf Chiara Lubich zurückgeht. „Ich hatte Durst nach Wahrheit“, so beschreibt sie die Anfangsgeschichte, „und studierte deshalb Philosophie. Im Studium hoffte ich wie viele andere auch, der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Doch dann traf mich in den ersten Tagen unserer Bewegung ein Gedanke, den ich sofort meinen Gefährtinnen weitergab: ‚Wozu die Wahrheit in Büchern suchen, wenn sie in Jesus, dem Gott-Menschen, Fleisch geworden ist. Wenn es uns wirklich um die Wahrheit geht, dann sollten wir alles aufgeben und ihn suchen, ihm nachfolgen.‘ Und genau das haben wir getan.“
Die jungen Frauen nahmen das Evangelium in die Hand und lasen darin – Satz für Satz. Und es kam ihnen völlig neu vor. „Jedes Wort Jesu war wie ein göttlicher Lichtstrahl ... Einzigartig und ewig sind seine Worte ... faszinierend und von göttlicher Handschrift. Worte des Lebens waren sie und ins Leben wollten sie übertragen werden; ihre Reichweite in Zeit und Raum ist unbegrenzt.“ 1) Sie hatten den Eindruck, dass diese Worte nicht veraltet sind, keine Erzählungen aus der Vergangenheit, sondern Worte, die Jesus auch heute an jede und jeden von uns richtet, so wie er es zu allen Zeiten und an allen Orten getan hat.
„Nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder.“
Aber ist Jesus wirklich unser Meister? Lassen wir uns von ihm wirklich etwas sagen?
Wir haben heute die Wahl zwischen unzähligen Lebensentwürfen und den Theorien vieler Vordenker, von denen manche klug und richtungsweisend sind, andere dagegen sogar zur Gewalt aufrufen. Doch die Worte Jesu haben eine Tiefe und Überzeugungskraft, wie wir sie bei anderen – bei Philosophen, Politikern oder Poeten – nicht finden. Es sind „Worte des Lebens“: Man kann sie leben und sie führen zur Fülle des Lebens, denn sie vermitteln das Leben Gottes.
Jeden Monat greifen wir eines dieser Worte heraus in der Hoffnung, dass auf diese Weise das Evangelium nach und nach in uns eindringt, uns verwandelt, uns dem Denken Jesu näherbringt und uns befähigt, entsprechend zu handeln. So wird Jesus nach und nach zu unserem Meister.
Schön ist es, das „Wort des Lebens“ mit anderen gemeinsam zu lesen. Denn so kann Jesus selbst, der Auferstandene in unserer Mitte, uns sein Wort erklären, in unsere Zeit übersetzen und uns zeigen, wie wir es in die Tat umsetzen können.
Die große Neuheit am „Wort des Lebens“ besteht aber darin, dass wir uns gegenseitig erzählen, welche Erfahrungen wir damit machen oder was uns geschenkt wird, wenn wir danach leben. Denn auch das gab es gleich am Anfang, wie Chiara Lubich berichtet: „Wir fühlten uns geradezu gedrängt, einander mitzuteilen, was wir mit dem Wort erlebten. Denn wir hatten verstanden, dass uns eine Erfahrung nur blieb und in uns fruchtbar wurde, wenn wir sie den anderen zum Geschenk machten. Behielten wir sie für uns, wurde unser inneres Leben nach und nach ärmer. Daher bemühten wir uns den ganzen Tag über, nach dem Wort zu leben. Die Ergebnisse teilten wir dann am Abend mit: einander und allen, die sich unserer kleinen Gruppe anschließen wollten ... Wo das Wort gelebt wurde, lebte nicht mehr das Ich oder das Wir, sondern das Wort in mir, das Wort in der Gruppe. Und das war christliche Revolution mit all ihren Konsequenzen.“ 2)
So kann es auch heute für uns sein.
Fabio Ciardi
1) Chiara Lubich, Leben aus dem Wort, 4München 1989, S. 10f;
2) vgl. ebd. S. 18f