Wort des Lebens September 2019
„Tröstet einander und einer baue den anderen auf …“
Nachdem der Apostel Paulus die Gemeinde in Thessaloniki gegründet hatte, musste er aufgrund großer Schwierigkeiten und Verfolgungen fliehen und konnte nicht zurückkehren. Mit seinen Briefen begleitet er liebevoll das Leben der Christen, er lobt sie für ihre Ausdauer und Standhaftigkeit im Glauben, für ihr beispielhaftes Zeugnis.
Paulus kennt die existenziellen Fragen dieser Gemeinschaft: Was erwartet uns nach dem Tod? Wie können wir uns angemessen auf seine Wiederkunft vorbereiten, wenn der Herr bald zurückkehrt?
Er gibt keine festen Regeln vor, sondern bekennt seinen Glauben: Jesus hat sein Leben aus Liebe zur Menschheit gegeben, er ist auferstanden und hat so für alle Menschen den Weg zum Leben bereitet.
Für Paulus ist die beste Vorbereitung auf die Wiederkunft Christi das Leben nach dem Evangelium im Alltag, in der ehrlichen Arbeit und im Aufbau einer geschwisterlichen Gemeinschaft.
„Tröstet einander und einer baue den anderen auf …“
Paulus hat es selbst erfahren: Das Evangelium lässt den Samen des Guten keimen, den Gott in das menschliche Herz gelegt hat. Es ist ein Same der Hoffnung, der in der täglichen persönlichen Begegnung mit der Liebe Gottes wächst und in der gegenseitigen Liebe aufblüht. So können wir das „Unkraut“ von Individualismus und Gleichgültigkeit bekämpfen, das Einsamkeit und Konflikte hervorbringt, und stattdessen miteinander die Lasten tragen und einander ermutigen.
Dieses Wort ist einfach. Wir alle können es verstehen und umsetzen. Es kann unsere persönlichen und gesellschaftlichen Beziehungen umkrempeln. Es ist ein kostbarer Rat, der uns helfen kann, die Grundwahrheit der Geschwisterlichkeit wiederzuentdecken, die Wurzel vieler Gesellschaftsordnungen ist. In den afrikanischen Bantu-Sprachen wird diese Haltung mit dem Wort „Ubuntu“ ausgedrückt: „Ich bin, was ich bin, durch das, was wir sind.“ „Ich bin, weil wir sind.“
Das war auch der Leitgedanke im politischen Handeln Nelson Mandelas, des großen Staatsmannes Südafrikas. Er sagte: „‚Ubuntu‘ bedeutet nicht, dass man nicht auch für sich selbst sorgt, es bedeutet, sich zu fragen: Tue ich, was ich tue, um die Menschen um mich zu stärken, sie zu selbstständigem Handeln zu befähigen?“ Sein konsequentes und mutiges Handeln hat historische Veränderungen in seinem Land hervorgerufen. Es hat einen großen Schritt zum Guten gemacht. 1)
„Tröstet einander und einer baue den anderen auf …“
Wie können wir nun dieses Wort leben? „Bemühen wir uns darum, in der gegenseitigen Liebe zu wachsen: in unseren Familien, am Arbeitsplatz, in unseren kirchlichen Gemeinschaften und Gruppen. Dieses Wort ermutigt uns zu einer überreichen Liebe, einer Liebe also, die jedes Mittelmaß übersteigt, alle Hindernisse überwindet und uns nicht mehr nur um uns selbst kreisen lässt. Wir können dieses Wort in den verschiedenen Aspekten der Nächstenliebe leben: Toleranz, Verständnis, gegenseitiges Sich-Annehmen, Geduld, Verfügbarkeit, Nachsicht mit den tatsächlichen oder vermeintlichen Fehlern der anderen, Teilen der Güter und so weiter.
Wenn in unseren Gemeinden und Gemeinschaften die gegenseitige Liebe spürbar ist, dann wird ihre Wärme unwiderstehlich ausstrahlen. Auch Menschen, die das christliche Leben noch nicht kennen, werden sich davon angezogen fühlen. Nach und nach – fast unbewusst – werden sie spüren, dass wir alle zu einer Familie gehören.“ 2)
„Tröstet einander und einer baue den anderen auf …“
Aus dieser Haltung hat sich in Palermo (Italien) eine Gruppe verschiedener Fachärzte und Pflegekräfte zusammengetan, um für die Armen der Stadt zu arbeiten. Sie erzählen: „Wir gehören unterschiedlichen Kirchen an. Das Evangelium lässt uns in jedem Menschen einen Bruder oder eine Schwester sehen, vor allem in den Kranken, die sich die ärztliche Behandlung nicht leisten können. Sie sind teilweise schwer erkrankt, einige sind spiel- oder internetsüchtig. Für den Kontakt unter uns und um die Einsätze zu organisieren, nutzen wir Whatsapp, Facebook und einen E-Mail-Verteiler.
Die Gruppe besteht erst seit Kurzem und ist schon sehr aktiv, gerade unter den Einwanderern, insbesondere in der ghanaischen Adventistengemeinde der Stadt. Ihre Mitglieder sind zahlreich und fröhlich, und mit ihnen erfahren wir die Freude, einander als Geschwister zu helfen, als Kinder des einzigen Vaters.“
Letizia Magri
1) Interview mit Nelson Mandela, Tim Modise, 24. Mai 2006; https://en.wikipedia.org/wiki/File:Experience_ubuntu.ogv
2) vgl. Chiara Lubich, Kommentar zum Wort des Lebens, Dezember 2013 und November 1994