Wort des Lebens Februar 2021
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
Der Evangelist Lukas schreibt oft über die große Liebe Gottes, die sich besonders in seiner Barmherzigkeit zeigt.
Die Barmherzigkeit ist in der Schrift sozusagen die mütterliche Seite Gottes, die liebende Fürsorge für seine Geschöpfe, wenn er sie tröstet und stärkt und immer wieder mit offenen Armen aufnimmt. In den Worten des Propheten Jesaja verspricht der Herr seinem Volk: „Wie einen, den seine Mutter tröstet, so werde ich euch trösten, und getröstet werdet ihr in Jerusalem.“
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
Diese Stelle des Evangeliums zeigt uns Jesus, wie er vor vielen Menschen aus verschiedenen, teils weit entfernten Orten einen gewagten Vorschlag macht: Gott, den Vater, in seiner barmherzigen Liebe nachzuahmen. Das ist ein Ziel, das uns unvorstellbar und unerreichbar erscheinen kann.
Den Vater nachzuahmen bedeutet aus Sicht des Evangeliums vor allem, auf Jesus zu schauen und von ihm zu lernen, die Ersten in der Liebe zu sein, so wie Gott beständig uns gegenüber der Erste ist.
So beschreibt auch der lutherische Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) seine geistliche Erfahrung: „‚Mir ist Erbarmung widerfahren‘ – haben wir gesungen. So singt die ganze christliche Gemeinde an jedem neuen Tage. ‚Mir ist Erbarmung widerfahren‘ – als ich mein Herz noch vor Gott verschloss, ... als ich mich verirrt hatte und nicht zurückfand – da traf mich Gottes Wort, da hörte ich: Gott liebt mich, da fand mich Jesus, er war bei mir – er ganz allein –, er tröstete mich und vergab mir alle meine Sünden und rechnete mir das Böse nicht zu. ‚Mir ist Erbarmung widerfahren.‘ Als ich Gott feind war um seiner Gebote willen, da handelte er an mir wie an einem Freunde. ... Zwar begreife ich es nicht, warum Gott mich so liebt, warum ich ihm so teuer war, zwar kann ich es nicht fassen, dass er mein Herz durch sein Leben überwinden konnte und wollte, aber nun kann ich sagen: ‚Mir ist [Erbarmung widerfahren]‘“
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
Dieses Wort des Evangeliums lädt uns zu einer radikalen Umkehr ein. Jedes Mal, wenn wir beleidigt werden, können wir uns entscheiden, nicht mit Ablehnung, Urteil und Rache zu reagieren, sondern mit Vergebung und Barmherzigkeit.
Dabei geht es nicht um die Erfüllung einer lästigen Pflicht, sondern vielmehr darum, uns von Jesus die Möglichkeit schenken zu lassen, vom Egoismus zum wahren Leben der Gemeinschaft zu gelangen. Wir werden voller Freude entdecken, dass wir dem Vater ähnlich sein können, der niemanden endgültig verurteilt, sondern allen eine zweite Chance gibt, neue Hoffnung schenkt.
Diese Haltung wird es uns ermöglichen, den Boden für geschwisterliche Beziehungen zu bereiten, auf dem eine menschliche Gemeinschaft im friedlichen und konstruktiven Miteinander wachsen kann.
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
Chiara Lubich schreibt in einer Betrachtung über einen Satz des Matthäusevangeliums, der die Barmherzigen seligpreist: „Das Thema Barmherzigkeit und Vergebung zieht sich durch das gesamte Evangelium. … Die Barmherzigkeit ist die höchste Form der Liebe. Sie macht die Nächstenliebe vollkommen. … Bemühen wir uns also darum, all unsere Beziehungen aus dieser barmherzigen Liebe heraus zu gestalten! Sie ist fähig, jeden Nächsten anzunehmen, gerade auch Arme und Bedürftige. Sie ist nicht berechnend, sondern großzügig. Sie gilt allen und ist konkret. Und sie hat die Gegenseitigkeit zum Ziel. Ohne Barmherzigkeit bliebe nur die Gerechtigkeit, die zwar Gleichheit, aber keine Geschwisterlichkeit schaffen kann. … Auch wenn es uns manchmal schwerfallen wird oder überzogen scheint: Fragen wir uns bei jeder Begegnung, wie sich die Mutter dieses Menschen ihm oder ihr gegenüber verhalten würde! Dies wird uns dabei helfen, mit dem Herzen Gottes zu lieben.“
Letizia Magri