Synode - notwendig und riskant

Auch Papst Franziskus weiß nicht, was am Ende des mehrjährigen Prozesses herauskommt, ist Peter Klasvogt überzeugt. Aber der Papst weiß, warum er den Prozess angeregt hat.

Monika Slouk vom Tirolersonntag hat mit ihm gesprochen:

Prälat Peter Klasvogt: Dass die katholische Kirche als Organisation mit 1,4 Milliarden Mitgliedern einen weltweiten Partizipationsprozess zustande bringt, ist an sich schon bemerkenswert. Papst Franziskus sagte vor Beginn der synodalen Versammlung in Rom zu Medienschaffenden: Tut mir einen Gefallen und kommt mir nicht mit vorgefertigten Erwartungen. Er versteht seine Initiative wirklich als Prozess, der stark von den Personen abhängt, die da sind. Der Papst führt damit das Konzil synodal fort, so versteht er sein Erbe als Pontifex. Seine Frage an den synodalen Prozess ist: Wie wollen wir als Kirche die Einheit bewahren, möglichst viele beteiligen und nach vorne denken.

Klasvogt: Ja, das war ein Schritt ins Risiko, auch für den Papst. Er weiß ja auch nicht, wohin das schlussendlich führt. Darum seine Bitte: Lasst euch auf diesen Prozess als Prozess ein. Ich persönlich gehe nicht davon aus, dass nun die Revolution ausbricht in der Kirche. Aber dass es einen Reformstau gibt, ist klar. Der deutsche Soziologe Franz-Xaver Kaufmann spricht von einem lethargischen Wartestand in der Zeit von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Und trotzdem sagt Franziskus: Wichtiger als alle Ergebnisse ist zunächst der Prozess selbst. Die entscheidende Frage ist: Wie will Gott heute seine Kirche haben?

Klasvogt: Man hat eine Sicherung davor bereits eingezogen, indem man gesagt hat, es gibt bis Oktober 2024 noch eine weitere Schleife. Die Themen sind dermaßen brisant, dass sie nicht in vier Wochen geregelt werden können. Es ist ein Meinungsbildungsprozess, der eine gewisse Dynamik entfaltet. Dass wir der Zeit hinterherhinken, ist nicht wirklich neu. Das II. Vatikanische Konzil hat sich der Moderne geöffnet, als die Moderne schon zu Ende war.

Klasvogt: Dass es einen Grundkonsens gibt, ist schon gut. Wir können die Menschen ja nicht verschieden anschauen, wie sie in Europa sind oder in Afrika. Wir müssen versuchen zu verstehen: Was ist die Situation, wer ist der Mensch, was sind die Herausforderungen dieser Zeit, und wie können wir als Kirche aus unserem christlichen Selbstverständnis und Menschenbild heraus entsprechend darauf antworten. Die Übersetzung in den einzelnen Ländern ist dann Aufgabe der Ortskirchen.

Klasvogt: Europa hat heuer zum ersten Mal eine Kontinentalsynode gemacht, Lateinamerika ist da zum Beispiel viel weiter. In Europa kam man erst durch den Papst auf die Idee. Dann sitzen sie zusammen und die Deutschen staunen, dass die Polen anders denken. Oder die Portugiesen anders als die Skandinavier, oder die Ungarn anders als die Franzosen. Wir sind am Anfang eines Gesprächsprozesses. Bevor wir unsere je eigenen Positionen verteidigen, sollten wir uns überhaupt einmal auf einen Prozess einlassen und einander zuhören. Wir stehen am Anfang, obwohl wir meinen, wir seien schon weit. Spirituell würde man sagen: Sich einmachen mit den anderen und von den anderen her denken. Damit sind wir am Anfang. Und zwar nicht nur in Deutschland. Das würde ich von den polnischen Bischöfen genauso erwarten. Wir sollten Dampf aus dem Kessel nehmen und miteinander ins Gespräch kommen.

Klasvogt: Sein Pontifikat ist schon viel länger als ursprünglich erwartet. Aber deshalb sagt er, dass die Schritte, die er jetzt setzt unumkehrbar sein müssen. Er wird in die Geschichte eingehen als einer, der die meisten Gesetzestexte gemacht hat. Das sieht keiner, es ist völlig untergegangen. Ob es das Wirtschaftssekretariat ist oder die Kinderschutzfrage, und dann die ganze Kurienreform. Das sind auf der einen Seite Federstriche, aber damit ist ein Kulturwandel verbunden. Es geht um Strukturen, aber auch um Personen. Es ist ausgesprochen spannend. Und da haben wir noch nicht die Reisen von Franziskus angesprochen, über Abu Dhabi, Mongolei und den interreligiösen Bereich. Wir sind so fokussiert auf unsere Themen!

Klasvogt: Ja, das kann ich nicht nachvollziehen. Diese Menschen sagen: Lieber Herr Papst, hier ist die Latte, und über dieses Stöckchen müssen Sie schon springen, sonst sind Sie für mich kein Reformer. Da geht es darum, Positionen zu verteidigen, nicht, sich an Prozesse freizugeben. Man sollte aber wahrnehmen, was ist, und versuchen zu verstehen, welche Akzente gesetzt werden und dass das eine Langzeitwirkung hat. Für mich ist es sensationell, was sich da tut.

Klasvogt: Papst Franziskus sieht das auch. Etwa die Lobbygruppen in den USA. Ja, sagt er, ich weiß, dass da viel Gegenwind ist. Aber er lässt sich dadurch nicht beirren. Man merkt, der Papst hat eine Mission. Er ist unglaublich gelassen. Dass er angefeindet wird, sagt ja im Grunde auch, dass es um einen Kulturwandel geht. Tradition muss ins Heute und ins Morgen hinein verlängert werden, das sind wichtige Prozesse. Wenn ich einen Prozess freigebe, schürt das natürlich Ängste. Das müssen wir ernstnehmen und doch gelassen damit umgehen.

Mit freundlicher Genehmigung www.tirolersonntag.at

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