Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein … (Apostelgeschichte 1,8)
Am Anfang der Apostelgeschichte steht die letzte Begegnung Jesu mit seinen Jüngern, bevor er sie verlässt, um zum Vater heimzukehren. Er verheißt ihnen: Sie werden von Gott die nötige Kraft erhalten, um in der Menschheitsgeschichte sein Reich zu verkünden und aufzubauen. Es geht dabei nicht um die Anstiftung zu einem „Staatsstreich“, darum – wie viele damals erwarteten – eine politische oder gesellschaftliche Macht gegen eine andere auszutauschen, sondern um das Wirken des Geistes Gottes in den Herzen der Menschen, der sie zu „neuen Menschen“ macht.
Kurz danach kommt der Heilige Geist auf die mit Maria versammelten Jünger herab und sie verkünden die Botschaft Jesu, ausgehend von Jerusalem, der Heiligen Stadt, bis an die „Grenzen der Erde“. 1)
„Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein …“
Die Apostel, und mit ihnen alle Jünger Jesu, sind als Zeugen ausgesandt.
Wenn ein Christ entdeckt, was es bedeutet, Kind Gottes zu sein, ist das auch gleichzeitig ein Auftrag. Unsere Berufung, unser Sein als Kinder Gottes verwirklicht sich, indem wir auf die anderen als unsere Geschwister zugehen. Wir sind alle gerufen, Apostel zu sein: mit dem Leben und wenn nötig auch mit Worten Zeugnis zu geben. Und wir sind Zeugen, wenn wir wie Jesus leben, wenn wir also allen, denen wir im Alltag in der Familie, bei der Arbeit, im Studium und in der Freizeit begegnen, mit Offenheit und Warmherzigkeit entgegenkommen. Dabei sollten wir immer ein Ziel vor Augen haben: die universelle Geschwisterlichkeit.
So erzählen Marilena und Silvano: „Als wir heirateten, waren wir uns einig, dass wir in unserer Familie immer offen für andere sein wollten. Eine der ersten Erfahrungen haben wir in der Vorweihnachtszeit gemacht. Wir wollten nicht nur kurz nach dem Gottesdienst ein frohes Fest wünschen, sondern unsere Nachbarn besuchen und ein kleines Geschenk mitbringen. Es war für alle eine frohe Überraschung, besonders für eine Familie, die von vielen gemieden wurde. Das Ehepaar hat lange mit uns gesprochen und uns von seinen Schwierigkeiten erzählt. Seit vielen Jahren war niemand mehr zu ihnen gekommen. Unser Besuch dauerte fast zwei Stunden; die Freude dieser Menschen war bewegend.
So sind wir auf alle zugegangen, und dadurch sind Beziehungen entstanden. Es war nicht immer einfach, weil unerwartete Besucher nicht immer gelegen kommen. Uns war aber bewusst, dass wir diese Gelegenheiten, persönliche Beziehungen aufzubauen, nicht verpassen durften. Bei einer Aktion für Brasilien hatte uns eine Frau geholfen, Spielsachen zu finden. Danach haben wir sie besucht, um uns für ihre Hilfe zu bedanken. Sie wollte, dass wir auch ihre Familie kennenlernen. Als wir gingen, sagte sie uns: Wenn ich doch auch den Mut hätte, auf andere zuzugehen!“
„Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein …“
Christen haben in der Taufe den Heiligen Geist empfangen. Er spricht im Gewissen aller Menschen, die das Gute und Wahre suchen. So kann jeder dem Heiligen Geist Raum geben und sich leiten lassen.
Wie können wir ihn erkennen und ihm folgen? Vielleicht hilft uns dieser Gedanke von Chiara Lubich*:
„Der Heilige Geist ist die Gabe des auferstandenen Herrn. Er lebt in uns als seinem Tempel. Er gibt uns Licht und zeigt uns den Weg.
Er ist der Geist der Wahrheit, der uns die Worte Jesu lebendig und zeitgemäß verstehen lässt. Er legt uns die Liebe zur Weisheit ins Herz und gibt uns ein, was wir sagen sollen und wie wir es sagen sollen.
Er ist der Geist der Liebe, der uns mit seiner Liebe entflammt. Er befähigt uns, Gott mit ganzem Herzen, ganzer Seele und aller Kraft zu lieben und diese Liebe auch allen Menschen zu schenken.
Er ist der Geist der Stärke, der uns Mut und Kraft gibt, um dem Evangelium treu zu bleiben und die Wahrheit zu bezeugen. [...] Mit der Liebe Gottes im Herzen können wir vieles erreichen und viele Menschen an unserer Entdeckung teilhaben lassen. [...] Mit den ‚Grenzen der Erde’ sind nicht nur geographische Grenzen gemeint. Das Bild kann auch Menschen in unserer Nähe bezeichnen, die noch nicht das Glück hatten, das Evangelium kennenzulernen. Auch zu ihnen soll unser Zeugnis gelangen. [...] Aus Liebe zu Jesus sollten wir uns ‚einsmachen’ mit jedem Menschen, uns selbstvergessen seine Anliegen zu eigen machen, bis der andere – von der Liebe Gottes in uns angerührt – sich seinerseits mit uns ‚einsmachen’ möchte. Auf diese Weise können wir Zuneigung füreinander entwickeln, einander helfen sowie gemeinsame Ziele und Initiativen verfolgen. Wenn wir bis dahin gelangt sind, können wir unsere Botschaft auch mit Worten weitergeben, denn dann werden die Worte wirklich Geschenk sein für den anderen.” 2)
Letizia Magri
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1) Apostelgeschichte 1,8
2) Chiara Lubich, Kommentar zum Wort des Lebens, Juni 2003