„So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ (Matthäus 22,21)
Als Jesus mit seinen Jüngern nach Jerusalem kam, so erzählt es uns das Evangelium nach Matthäus, wurde er von den Leuten als „Sohn Davids“ gefeiert und wie ein König empfangen. Tatsächlich verkündigte Jesus die nahe Ankunft des Reiches Gottes.
Kurz darauf kam es zu einem Streitgespräch zwischen Jesus und Gefolgsleuten des Königs Herodes sowie einigen Pharisäern. In ihrer Haltung gegenüber der römischen Besatzungsmacht unterschieden sich diese beiden Gruppen sehr. Vor diesem Hintergrund versteht man die Hinterlist, die in der Frage steckt, ob es erlaubt sei, dem Kaiser Steuern zu zahlen. Die Fragesteller wollten Jesus zwingen, sich klar zu positionieren und sich damit angreifbar zu machen.
Jesus reagierte mit der scheinbar banalen Gegenfrage, wessen Bild auf den Münzen zu sehen sei. Auf die Antwort, dass es das Bild des Kaisers sei, sagte er:
„So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“
Was gehört nun dem Kaiser und was Gott?
Jesus verweist darauf, dass Gott über allem und jedem steht. Wie der römischen Münze das Bild des Kaisers eingeprägt ist, so ist jeder Mensch nach dem Abbild Gottes geschaffen.
Das steht auch in der rabbinischen Tradition, die zur Verdeutlichung ebenfalls den Vergleich mit der Münzprägung heranzieht: „Wenn ein Mensch viele Münzen mit einem Stempel prägt, sind sie alle einander gleich. Aber der König aller Könige, der Heilige, gebenedeit sei Er, hat jeden Menschen mit dem Stempel des ersten Menschen ausgeprägt, und doch ist nicht einer dem anderen gleich.“
Gott können wir uns überlassen, ihm können wir uns schenken; wir gehören ihm und finden in ihm Freiheit und Würde. Die Treue Gottes ist immer größer als die der Menschen.
Wenn es jemanden gibt, der Gott kennt und uns helfen kann, ihm den richtigen Platz in unserem Leben zu geben, dann ist das Jesus. Für ihn „bedeutete lieben nichts anderes, als den Willen des Vaters zu erfüllen und ihm mit Verstand, Herz, Kraft, ja mit dem ganzen Leben zu dienen. Jesus hat sich ganz dem Plan überlassen, den der Vater für ihn hatte. Das Evangelium zeigt ihn als den, der jederzeit voll und ganz auf den Vater ausgerichtet ist ... Von uns verlangt er nichts anderes: Lieben bedeutet, den Willen des Geliebten zu erfüllen, ohne Halbheiten, mit unserem ganzen Sein: ‚mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit allen deinen Gedanken.‘“
„So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“
Wie oft stehen wir vor einem Dilemma, vor schwierigen Entscheidungen, und wie schwer fällt es uns, nicht zu flüchten und den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Auch Jesus stand vor ideologischen Fragen, aber für ihn war klar: Es zählt nur das Reich Gottes, nur die Liebe.
Lassen wir uns von diesem Wort hinterfragen: Was ist uns wirklich wichtig – beliebt und bekannt zu sein, Karriere zu machen? Bewundern wir erfolgreiche Menschen, Prominente, Influencer? Geben wir etwas den Platz in unserem Denken und Handeln, der Gott zusteht?
Mit seiner Antwort will Jesus uns herausfordern, nicht oberflächlich zu sein, sondern unsere Wertvorstellungen ehrlich zu überdenken.
In unserem tiefsten Inneren können wir unser Gewissen hören, das vielleicht leise ist und von anderen Stimmen übertönt wird. Aber wir wissen, dass es da ist und uns drängt, unermüdlich nach Wegen für ein geschwisterliches Leben zu suchen, immer wieder neu damit anzufangen, auch wenn wir auf Widerstand stoßen.
So können wir in einem echten Dialog mit den anderen Menschen stehen, um miteinander angemessene Antworten auf die komplexen Fragen des Lebens zu finden. Damit entziehen wir uns nicht der Verantwortung für die Gesellschaft, sondern stellen uns in den selbstlosen Dienst für das Gemeinwohl.
So schrieb Dietrich Bonhoeffer, gefangen und zum Tode verurteilt wegen seiner Arbeit im Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime, aus dem Gefängnis an seine Verlobte: „Ich meine nicht den Glauben, der aus der Welt flieht, sondern der in der Welt aushält und die Erde trotz aller Not, die sie uns bringt, liebt und ihr treu bleibt. Unsere Ehe soll ein Ja zu Gottes Erde sein, sie soll uns den Mut, auf der Erde etwas zu schaffen und zu wirken, stärken. Ich fürchte, dass die Christen, die nur mit einem Bein auf der Erde zu stehen wagen, auch nur mit einem Bein im Himmel stehen.“(*)
Letizia Magri und Team
(*) Dietrich Bonhoeffer, Maria von Wedemeyer, Brautbriefe Zelle 92, 1943-1945, München 1992, S.39