Chiara Lubich

Wenn sie von Leid und Schmerz sprach, beschränkte sich Chiara Lubich nicht auf ein philosophisches, psychologisches oder spirituelles Konzept, sondern richtete ihren Blick immer auf den, den sie gerne "Bräutigam ihrer Seele" nannte: Jesus in dem Moment, als er am Kreuz die Verlassenheit des Vaters erlebte: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Mt 27,46). In ihrer intimen und geheimnisvollen Beziehung zu ihm fand sie die Kraft, jeden Schmerz zu akzeptieren und ihn in Liebe umzuwandeln.


Was wäre unser Leben,
wenn wir nicht nicht auf dich blickten,
der du auf wunderbare Weise
alle Bitterkeit in Freude verwandelst,
auf dich am Kreuz, in Deinem Schrei,
zwischen Himmel und Erde,
in völliger Untätigkeit,
lebendig tot.
Zur Kälte geworden,
hast du dein Feuer auf die Erde geworfen;
zu Tode erstarrt,
hast du uns dein unendliches Leben geschenkt,
damit wir es jetzt leben,
trunken vor Freude.

Uns genügt,
dir zumindest ein wenig ähnlich zu sein,
unseren Schmerz mit deinem zu vereinen
und ihn dem Vater anzubieten.

Damit wir das Licht hätten,
hast du die Dunkelheit erlebt.
Damit wir die Einheit hätten,
hast du die Trennung vom Vater erfahren.
Damit wir die Weisheit besäßen,
bist du „Torheit“ geworden.
Damit wir mit Unschuld bekleidet würden,
bist du zur "Sünde" geworden.
Damit Gott in uns wäre,
hast du die Ferne von ihm erfahren.


Chiara Lubich, Alle sollen eins sein, Verlag Neue Stadt, 1995, S. 23

Gedanken

Wer kennt es nicht?
Peter Dettwiler, reformierter Theologe
Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Innsbruck
Gebet aus der Ostkirche