Der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken.
Dieser Psalm ist ein Lobgesang auf die Herrlichkeit des Königtums Gottes, der die Geschichte lenkt. Er ist ewig und erhaben, übt Gerechtigkeit und Güte; er ist mehr Vater als Herrscher.
Gott offenbart seine Zärtlichkeit, überfließend wie die einer Mutter. Er ist barmherzig, gnädig, geduldig und liebevoll, gütig zu allen ...
Die Güte Gottes hat sich dem Volk Israel gezeigt, sie gilt aber seiner gesamten Schöpfung, jedem Menschen und allen Geschöpfen.
Am Ende des Psalms steht die Aufforderung an alle Lebewesen, in den Gesang einzustimmen, das Lob vielstimmig erklingen zu lassen:
„Der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken.“
Gott selbst hat dem Menschen die Schöpfung anvertraut – wie ein offenes Buch seiner Güte. Die Menschen sind gerufen, am Werk des Schöpfers mitzuarbeiten und neue Seiten der Gerechtigkeit und des Friedens zu schreiben, indem sie auf seinem Weg der Liebe gehen.
Leider wird aber allzu oft schutzlosen Menschen und der Umwelt Schaden zugefügt. Die Schöpfung wird durch Gleichgültigkeit, Egoismus und Habgier ausgebeutet, ohne Rücksicht auf das Wohl aller zu nehmen.
In den letzten Jahren ist unter den Christen das Bewusstsein für diese Probleme gewachsen; es wird mehr auf die Bewahrung der Schöpfung geachtet. Erinnern wir uns an die vielen Appelle von maßgeblicher Stelle zur Wiederentdeckung der Natur als Spiegelbild der Güte Gottes und Erbe der ganzen Menschheit.
So schreibt der Ökumenische Patriarch Bartholomäus I. in seiner Botschaft zum „Tag der Schöpfung“ 2016: „Es bedarf beständiger Wachsamkeit, Bildung und Aufklärung, damit der Zusammenhang der gegenwärtigen ökologischen Krise mit den menschlichen Leidenschaften […], die jene ökologische Krise herbeiführen, die wir jetzt erleben, deutlich wird. Die Rückkehr zur ursprünglichen Schönheit der Ordnung und des klugen Haushaltens, der Selbstbeschränkung und der Askese, also jener Tugenden, die zu einem besonnenen Umgang mit der natürlichen Umwelt führen können, ist mithin der einzig mögliche Weg. Besonders die Unersättlichkeit bei der Stillung materieller Bedürfnisse führt mit Gewissheit zur geistlichen Verarmung des Menschen, welche die Zerstörung der Umwelt nach sich zieht.”1)
Und Papst Franziskus sagt in seiner Enzyklika Laudato si’: „Die Pflege der Natur ist Teil eines Lebensstils, der die Fähigkeit zum Zusammenleben und zur Gemeinschaft einschließt. Jesus erinnerte uns daran, dass Gott unser gemeinsamer Vater ist und dass dies uns zu Brüdern und Schwestern macht. Die Bruderliebe kann nur gegenleistungsfrei sein [...]. Diese gleiche Uneigennützigkeit führt uns dazu, den Wind, die Sonne und die Wolken zu lieben und zu akzeptieren, obwohl sie sich nicht unserer Kontrolle unterwerfen. […] Wir müssen wieder spüren, dass wir einander brauchen, dass wir eine Verantwortung für die anderen und für die Welt haben und dass es sich lohnt, gut und ehrlich zu sein.”2)
Nehmen wir uns also etwas Zeit, um den Blick auf die Unendlichkeit des Himmels, die Majestät der Berggipfel und die Weite des Meeres zu richten oder auf das Gras, das am Straßenrand wächst! Es wird uns helfen, die Größe des Schöpfers, des „Freundes des Lebens“3), zu erahnen und die Wurzel unserer Hoffnung in seiner unendlichen Güte zu finden, die alles umfängt und immer bleibt.
Entscheiden wir uns für einen einfachen Lebensstil, der die Umwelt schont und Rücksicht auf die Bedürfnisse der anderen Menschen nimmt, um reich an Liebe zu werden! Teilen wir die Güter der Erde und der Arbeit mit den ärmeren Geschwistern und bezeugen wir die Fülle des Lebens und der Freude. So werden wir Zärtlichkeit, Wohlwollen und Versöhnung in unsere Umgebung bringen.
Letizia Magri