Im Dezember 2004 entstand auf Initiative dreier Frauen aus Hall in Tirol ein besonderes Frauenprojekt: das interkulturelle Frauenfrühstück für Asylantinnen, Migrantinnen und Österreicherinnen. Die Initialzündung erfolgte durch einen Bericht in der Zeitschrift der Fokolar-Bewegung „Neue Stadt“ (4/2004). Dort wurde über ein „interreligiöses Frauenfrühstück“ in Neutraubling bei Regensburg in Deutschland berichtet.
Einige Frauen aus Hall, Mils, Wattens und Innsbruck, teilweise selbst mit Migrationshintergrund, wollten aus persönlicher Betroffenheit zum besseren Verständnis zwischen den verschiedenen Kulturen in der Stadt beitragen. Spontan starteten sie mit einem Vorbereitungsteam von 7 bis 8 Personen.
Was war die Motivation?
Ausschlaggebend für das Engagement war die Wahrnehmung, dass zwischen Menschen verschiedener Kulturkreise kaum Begegnung stattfindet.
Die weltweite Geschwisterlichkeit aller Menschen ist für uns immer wieder eine Motivation. In Hall leben mehr als 2000 Asylant:innen und Migrant:innen mit ihren Familien mit über 50 verschiedenen Sprachen.
Was sind die Ziele?
Es geht uns Frauen darum, einen Gegenpol gegen die so weit verbreiteten Vorurteile zu setzen. Bei uns lebende Menschen mit Migrationshintergrund sollen die Erfahrung machen, mit ihrer Religion und Kultur willkommen zu sein. Wir wollen uns gegenseitig besser kennenlernen, Beziehungen schaffen, uns gegenseitig bereichern, voneinander lernen. Beide Seiten sollen über die Besonderheiten der jeweiligen Herkunftsländer, Religionen und Traditionen erfahren, Ängste und Vorurteile abbauen. Damit unser Vorhaben nicht an den mangelnden Sprachkenntnissen scheitert, finden sich immer wieder Übersetzerinnen.
Basis für unsere Begegnungen ist die Goldene Regel, die in allen Weltreligionen Gültigkeit hat: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden möchtest“.
Welches sind die Zielgruppen?
Hall in Tirol hat knapp 13.000 Einwohner:innen. Im März 2005 waren davon 1838 MigrantInnen und AsylantInnen (14,3 % der Bevölkerung) aus 54 verschiedenen Ländern.
Wir haben über persönliche Kontakte, das Asylant:innenheim, über den Städtischen Kindergarten, die beiden Moscheen, über Deutschkurse der Volkshochschule sowie über die Stadtzeitung, interessierte Frauen zu den Treffen eingeladen.
Die Teilnehmerinnenzahl liegt bei durchschnittlich 18 Personen aus den unterschiedlichsten Nationen wie Armenien, Aserbeidschan, Bosnien, Georgien, Vietnam und zum überwiegenden Teil aus der Türkei. Es entstand eine Gruppe in der ein freundschaftliches und vertrauensvolles Klima besteht, und die Teilnehmerinnen auch von sich aus Themen- und Gestaltungsvorschläge machen.
Wo finden die Treffen statt?
Wir treffen uns im Haus am Magdalenagarten, einem der städtischen Seniorenheime in Hall. Wir haben einen großen Raum mit einer Spielecke für Kinder zur Verfügung. Für die Verpflegung sorgen alle zusammen, auch für die Vorbereitung des Raumes und das nachträgliche Aufräumen helfen alle mit. Ein wichtiger Aspekt unserer Gemeinschaft.
Welche Themen werden behandelt?
- „Wer bin ich – woher komme ich“ (mit Hilfe von Landkarten)
- „Salzstadt Hall“ – was heißt „Salz“ in den verschiedenen Sprachen und Schreibweisen?
- Führung durch die Haller Altstadt
- Besuch einer Moschee in Hall
- Musik und Tänze aus der Heimat
- Sinn und Brauchtum christlicher Feste wie Nikolaus, Weihnachten und Ostern (Geschenksäckchen, Basteln für Advent, Krippendarstellung, Bemalen von Ostereiern, ..)
- Was bedeutet Ramadan für die Muslime? Wir feiern zusammen Bayram, das muslimische Fest zum Abschluss des Ramadan.
- Interkulturelles Begegnungsfest im Haller Stadtpark mit Kinderbetreuung
- Verwendung von Hausmitteln zur Heilung von Krankheiten
- Kindersicherung im Auto
- Bücher und Spiele für Kindergartenkinder, wobei die Spiele gleich ausprobiert werden.
- Rituale um Ereignisse im Lebensablauf – Geburt, Namensgebung, Hochzeit, Trennung, Tod, ..
- Rituale bei Begrüßung und bei Einladungen
- „Wie können wir unsere Kinder beim Lernen unterstützen?“
Wie läuft so ein Nachmittag ab?
Die Frauen kommen am Nachmittag ab 14.30 Uhr und es gibt die mitgebrachten Köstlichkeiten mit Kaffee und Kuchen. Etwa zur Halbzeit beginnt das vorbereitete Programm. Ende ist meist etwa um 16.30 Uhr.
Die Sprachschwierigkeiten waren vor allem zu Beginn eine große Barriere. Aber bald genossen die meisten Frauen die ungezwungene Atmosphäre. Die Mischung von Treffen mit kurzen Referaten und solchen, wo die Frauen von sich erzählen oder etwas tun können, hat sich bewährt. Diskussionen und Fragen sind nur in beschränktem Maße möglich, aber die Vertrautheit unter den Frauen führt oft zu nonverbaler Verständigung mit viel Gelächter, viel Mitgefühl und zu manch konkreter Aktion wie Stellenvermittlung, Babysitten oder Kekse backen in Privatfamilien. Vor allem – es kommt immer wieder zu spontanen Umarmungen bei Begegnungen in der Stadt: „Du, ich kenne dich. Wir sind Freundinnen.“
Von wem wird der Frauentreff getragen?
Was Besucher:innen immer wieder erstaunt, ist, dass hinter dem Interkulturellen Frauentreff keine Institution steht, sondern dass er von Privatpersonen getragen wird. Die bisherigen Auslagen wurden aus Eigenmitteln bestritten. Die meisten ReferentInnen verzichteten bisher auf ihr Honorar. Durch Sponsoren, wie die Stadtgemeinde Hall in Tirol, haben wir ein minimales Budget für das eine oder andere Buch, ein Geschenk zur Geburt eines Kindes oder für Fahrtspesen und Blumen für Referentinnen.
Ansprechpartnerinnen:
Hermine Schmölz, Hall i.T., E-Mail: hermine.schmoelz@gmx.at
Birgit Bodner, Mils b.H., E-Mail: birgitbodner@gmx.at
Yasemin Karagöz, Innsbruck, E-Mail: yasemin-ka@hotmail.com